April, 2019
Straßenmusik
Ich bin 100% ehrlich, aber …
“Ich gebe Lübeck noch eine Chance” – denkste..
Lübeck und ich, das ist so eine Sache. Leider hatte ich in der Vergangenheit nicht die besten Straßenmusik-Erfahrungen mit dieser Stadt. Und der gestrige Tag hat leider auch nicht zur Besserung beigetragen.
Ich reise nun seit knapp zwei Jahren als Straßenmusiker durch die Gegend. Drei Städte gehörten seit Beginn zu meinen Reisezielen: Rostock, Schwerin und … Lübeck – Naja, nicht ganz.
Diese ja sonst so schöne Stadt sieht Straßenmusiker leider ungern, was sehr wahrscheinlich daran liegt, dass es dort jede Menge davon gibt und die Anwohner und umliegende Läden keine Dauerbeschallung ertragen wollen. Und das verstehe ich total; ich stelle mir es selbst total nervig vor, wenn man in seiner Wohnung Ruhe haben möchte und jemand den ganzen Tag vor der Haustür Musik “dudelt”.
Jedoch bin ich jemand, der Regeln gerne hinterfragt und versucht, sie zu verstehen. Aber vielleicht fällt es Dir ja leichter. Lass mich Dir die Situation objektiv schildern und dann freue ich mich auf Deine ehrliche Meinung:
Ich sitze neben Niederegger hinter dem Mikrofon, die Sonne scheint, die Stadt lebt, Osterferien in Lübeck.
Guter Dinge mache ich einen Soundcheck, um kurz darauf meinen ersten Song zu spielen. Es gefällt den Leuten sichtlich und innerhalb einer Minute stehen 10 Menschen um mich herum und hören zu, genießen den Moment und erfreuen sich an meiner Musik. Kurz danach, mein erstes Lied noch nicht beendet, sehe ich zwei uniformierte Mitarbeiter des Ordnungsamtes auf mich zukommen. Ich höre auf zu spielen, schalte meinen Verstärker ab. Direkt kommen drei der Personen, die kurz zuvor zugehört haben, auf mich zu und fragen, “was die wollten”.
(Wie denkst Du darüber? Ich freue mich auf Deinen Kommentar am Ende des Beitrages.)
Ich lege sehr wert auf Ehrlichkeit – bei mir und bei meinen Mitmenschen. Wenn mich das Ordnungsamt jedoch fragt, ob ich zum ersten mal in Lübeck spiele, ist es so, als würde ich über den Geschmack einer Linzer Torte nachdenken: Ich sage ja.
Das weitere Gespräch zwischen mir und der Frau vom Ordnungsamt verlief ungefähr so:
Sie: Okay, wir haben hier Zeiten in Lübeck, in denen Straßenmusiker spielen dürf…
Ich: Lassen Sie mich raten, die Zeit ist nicht jetzt.
Sie: Genau, von .. bis .. und nur ohne Verstärker.
Ich: Schauen sie mal, die ganzen Leute, die hier standen, haben das gerade genossen.
Sie: Ja, wissen Sie, ich habe gerade zu meinem Kollegen auf dem Weg zu Ihnen gesagt: Der hat eine tolle Stimme. Aber wir haben immer wieder Beschwerden von den Anwohnern.
Und ein Saxofon? Braucht keinen Verstärker und ist tierisch laut. Und ein Schlagzeug? Braucht keinen … Verstehst Du, warum es mir schwer fällt, es nachzuvollziehen?
In Travemünde brachte mir ein Gosch- Mitarbeiter ein Bier und einen Kaffee vorbei – wie nett!!! 🙂
Straßenmusik ist nicht immer einfach. Das fängt beim Ordnungsamt an und hört bei -7 Grad auf. Das Wichtigste dabei, und das gilt für so vieles: Nicht aufgeben. Warum sollte ein schlechtes Ereignis mehr wiegen, als zwanzig tolle Begegnungen und Geschichten? (Und glaubt mir, es sind wirklich tolle Geschichten!)
Ich fuhr kurzer Hand nach Travemünde. War zwar ziemlich windig und menschenleer dort, aber dafür hatte ich einen Arbeitsplatz mit schickem Ausblick.
Ich freue mich auf Deine Gedanken dazu. Sei einfach ehrlich, vielleicht übersehe ich ja auch etwas, da ich nun mal sehr tief in der Straßenmusik drin stecke!
Danke fürs Lesen! 🙂
Victor
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Ganz toller Bericht!
Es mag einige Straßenmusiker in Lübeck geben, doch die wissen da wohl nicht was sie verpassen!
DEINE Musik zählt sicher nicht zur “Dauerbeschallung”! Wer dich jemals gehört hat, weiß wie viel Herzblut Du in die Straßenmusik und in jeden deiner Auftritte steckst!
Es tut mir echt leid für all diejenigen die wegen Dir stehen blieben oder sich gar extra auf den Weg machten und auch für Dich!
Vor meiner Haustür dürftest Du liebend gerne spielen- 🙂
Leider kann ich es nicht ändern, aber lass Dich nicht unterkriegen! Und immerhin hat die Dame vom Ordnungsamt nen guten Geschmack. Sie macht halt auch nur ihren Job! (Ich könnt Dich nicht wegschicken)!Vielleicht solltest Du darüber nachdenken auf Blockflöte umzusteigen- lach.
Und wie toll von Dir, dann spontan in Travemünde zu spielen!
Hey Claudi!
Ich freue mich wirklich darüber, dass Du kommentierst. Und vor allem wie! Lach! “..was sie verpassen!”
Ja, es tut mir ebenfalls sehr leid, wenn sich Menschen meinetwegen auf den Weg in die Stadt machen – was übrigens ein wunderbares Kompliment ist – und ich dann nichts zurückgeben kann, weil das Ordnungsamt schneller war.
Blockflöte? Na das hast Du Dir selbst eingebockt, wenn ich beim dem Wohnzimmerkonzert mit der Blockflöte antanze!
Bis ganz bald,
Victor
Ich kann Dir ein Pianist empfehlen,der kämpft schon lange gegen vielen unsinnigen Regeln für Strassenmusikern.Arne Schmitt /Pianist.LG
“Warum sollte ein schlechtes Ereignis mehr wiegen, als zwanzig tolle Begegnungen und Geschichten?” – Danke für diese Erinnerung, Victor, ehrlich – eine Einstellung, die ich absolut teile und die schon mal sehr entscheidend war in meinem Leben. Wir neigen oft dazu, uns von einer negativen Erfahrung leiten zu lassen und all die positiven zuvor zu vergessen, die aber eigentlich überwiegen. Das sollten wir uns viel öfter vor Augen führen, damit dieser Gedanke im entscheidenden Moment präsent ist. Du hast es mal wieder richtig gemacht – hast dich davon nicht allzu sehr runterziehen lassen und weiter gemacht und so am Ende des Tages doch noch etwas Positives zu berichten 🙂 “Gib alles, aber niemals auf” fällt mir dazu ein 😉
Und zu deiner Frage – nein, meiner Meinung nach übersiehst du nichts. Du zeigst sogar noch Verständnis für die Bewohner und Mitarbeiter der Läden. Ich denke auch, dass es ja in Ordnung ist, Regeln zu haben, zumindest dort, wo Beschwerden sich häufen – da sind die Menschen sich dann scheinbar relativ einig. Aber wenn Regeln bestehen, dann sollten sie klar definiert sein, sodass sie ihren Zweck auch tatsächlich erfüllen. Denn wie du schon angesprochen hast, gibt es dann Varianten, die erlaubt sind, aber genau das Gegenteil von dem erreichen, was mit diesen Regelungen erzielt werden soll. Schlagzeug und Saxophon sind dann erlaubt, “beschallen” die Menschen aber viel mehr als du mit deinem Verstärker. Und erstklassige Musik wie deine, die so vielen Menschen etwas gibt, wird unterbunden. Mit Sinn und Verstand lässt sich das für mich nicht erklären, daher ist es total gerechtfertigt, diese Vorschriften zu hinterfragen. Schlag ihnen doch nächstes Mal vor, dass sie doch lieber die Lautstärke messen sollen. Damit lässt sich leichter ne Grenze festlegen! 😛
Schön, dass du am Ende aber doch noch eine tolle Geschichte von dem Tag zu erzählen hattest!
Hey Mareike! Welch Überraschung Deinen Namen in den Kommentaren zu lesen.. 😀 Verstehe mich nicht falsch, ich freue mich jedesmal darüber, wie viel Zeit und Mühe Du Dir gibst.
Und dann lese ich Deinen Kommentar und schaue, was ich für mich selbst mitnehmen kann – denn diese Gedankenaustausche (Perspektivenwechsel) sind manchmal goldwert.
In dem Moment selbst ist es natürlich blöd, aber dann heißt’s: Lösung suchen!
Die Lösung hieß Travemünde.
Habe einen klasse Tag und bis bald! 🙂
Countdown läuft! 😛
Victor